In den letzten Wochen sind wir täglich in den Medien mit dem kaum vorstellbaren Leid der Flüchtlinge innerhalb und an den Grenzen Europas konfrontiert. Menschen, die alles verloren haben, ertrinken auf ihrer Flucht im Mittelmeer oder ersticken in LKWs, weil Europa sich weiterhin abschottet und die Augen vor der Katastrophe verschließt. Wo die Flüchtlinge es schaffen, die Grenzen zu überwinden, werden sie teilweise mit offener Ablehnung empfangen. Leider auch in Deutschland, wo im Internet immer öfter gehetzt und im gesamten Bundesgebiet fast täglich Brand- und Mordanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verübt werden.
Doch es gibt auch ermutigende Gegenbeispiele: In vielen Kommunen bilden sich Helferkreise, setzen sich Ehrenamtliche für die Flüchtlinge ein, organisieren zusammen mit Vereinen Deutschkurse und Freizeitangebote, sorgen dafür dass aus Flüchtlingen Bürgerinnen und Bürger werden.
In der letzten Gemeinderatssitzung haben wir die Bitte des Landratsamts Neustadt diskutiert, einen Standort für eine Asylunterkunft zu prüfen. Es steht die Zahl von 100 Menschen im Raum, 100 Menschen die von ihrem Recht Gebrauch machen, Asyl zu suchen. Kinder, Frauen, Männer. Menschen!
Alle Fraktionen haben sich dabei – auch wenn hierbei der vom Landratsamt vorgeschlagene Standort als ungeeignet verworfen wurde – klar dafür ausgesprochen, dass Kirchenthumbach weitere Flüchtlinge aufnimmt und wir alle daran mitarbeiten, dass die Integration gelingt.
Unbestritten ist die Integration der ankommenden Flüchtlinge eine Herausforderung. Aber sie ist keine Herausforderung, vor der man Angst haben muss. Fakt ist: Die Hilfen für Flüchtlinge sind notwendig und keine finanzielle Überforderung Deutschlands. Wer glaubt, dass mögliche Einsparungen durch die Verweigerung, weitere Asylbewerber aufzunehmen, Geld in die Kassen von Senioren, Hartz IV-Empfängern oder den Bildungssektor spült, der irrt. Soziale Gruppen werden an dieser Stelle bewusst gegeneinander ausgespielt, um Missmut und Neid zu schüren. Dem stellen wir uns entschlossen entgegen.
Auch wir in Kirchenthumbach sollten die Herausforderungen, die sich für uns vor Ort ergeben, mit Tatkraft und Optimismus angehen. Wir verfügen in unserer Gemeinde über ein großes Netzwerk aus Vereinen, Verbänden, kirchlichen Organisationen und Parteien. Wir alle sollten unsere Hand ausstrecken und uns gegen Hetze und Polemik wehren. Und wir alle sollten überlegen, was wir selbst tun können, um eine Willkommenskultur aufzubauen und ein harmonisches Zusammenleben zu ermöglichen.
Unsicherheiten entfachen Misstrauen und Ängste. Viele Menschen sind angesichts von Hunderttausenden Flüchtlingen und Asylbewerbern, die nach Deutschland kommen, verunsichert. Schluss mit Vorurteilen über Flüchtlinge! Fakten schaffen da klare Sicht.
Vorurteil: „Deutschland ist zu klein für noch mehr Zuwanderung“ Fakt ist: Deutschland braucht dringend Zuwanderung – besonders Fachkräfte werden gesucht. Viele Flüchtlinge, die bei uns Asyl beantragen, sind gut ausgebildet und zum Teil hoch qualifiziert. Wir wissen, dass viele bleiben werden. Deshalb ist es wichtig, dass sie so früh wie möglich Deutsch lernen. Die Menschen müssen schnell und gut integriert werden. Wir wollen nicht, dass sich die Fehler der 90er Jahre wiederholen. Vorurteil: „Asylbewerber bekommen mehr als Hartz-IV-Empfänger“ Fakt ist: Das ist falsch. In den ersten 15 Monaten bekommen sie vor allem Sachleistungen und ein Taschengeld – damit deutlich weniger als Hartz-IV-Empfänger. Anschließend erhalten sie das gleiche Existenzminimum. Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 klar geurteilt: Weniger als das ist mit der Menschenwürde nicht vereinbar. Allerdings haben Asylsuchende keinerlei Ansprüche auf Förder-maßnahmen wie etwa Hartz-IV-Empfänger. Vorurteil: „In der Nähe von Flüchtlingsheimen steigt die Kriminalität“ Fakt ist: Dort, wo die Kriminalität steigt, liegt das nicht an den Flüchtlingen! Sondern an den zunehmenden Übergriffen auf sie, wie auch an den Anschlägen und Brandstiftungen auf Flüchtlings-heime durch Rechtsradikale. So wurde im Zusammenhang mit den Pegida-Demonstrationen eine Steigerung der Tätlichkeiten und Anfeindungen gegen Flüchtlinge in kürzester Zeit um unglaubliche 130 Prozent registriert. Flüchtlinge sind nicht krimineller als Deutsche. Vorurteil: „Wir sind nicht das Weltsozialamt“ Fakt ist: Das Recht auf Asyl für Frauen, Männer und Kinder, die Schutz bei uns suchen, ist ein Grundrecht. Es gehört zum Kernbestand unserer Geschichte und unserer Verfassung. Asylsuchenden wird das Existenzminimum gewährt, bis sie sich durch eigene Arbeit ihr Leben finanzieren können. Deshalb hat die SPD dafür gesorgt, dass sie bereits nach drei Monaten arbeiten dürfen. Vorurteil: „Flüchtlinge nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg“ Fakt ist: Eher im Gegenteil! In Deutschland werden in vielen Berufen händeringend Arbeitskräfte gesucht. Tatsache ist, dass wir eine doppelte Integration brauchen: erstens die Integration der Flüchtlinge, zweitens die Integration von arbeitslosen Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere von Langzeitarbeitslosen. Das ist Aufgabe der Politik. Arbeitsministerin Andrea Nahles hat dazu bereits ein Programm zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit auf den Weg gebracht. Vorurteil: „Denen geht’s doch gut – die haben alle ein Handy“ Fakt ist: Viele Flüchtlinge haben ein Mobiltelefon. Sowohl in Krisengebieten, wie beispielsweise in Syrien, aber auch besonders auf der Flucht selbst ist ein Handy ein überlebenswichtiges Kommunikationsmittel. Oft ist es das Letzte, was die Flüchtlinge – neben dem, was sie am Körper tragen – aus ihrer Heimat mitnehmen konnten. Vorurteil: „Balkanflüchtlinge sind Wirtschaftsflüchtlinge“ Fakt ist: Die Anerkennungsquoten der Antragstellerinnen und Antragssteller aus diesen Ländern ist äußerst gering. Aber: Dies bedeutet nicht, dass es in den Balkanstaaten keine Verfolgung und keine Gründe für die Inanspruchnahme des Asylrechts gibt. Auch für die sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ gilt: Die Vermutung, dass jemand aus einem Land kommt, in dem es grundsätzlich keine Verfolgung gibt, kann in einem Asylverfahren grundsätzlich widerlegt werden. Das ist insbesondere für Bevölkerungsgruppen wichtig, die in einigen Staaten noch immer diskriminiert und angefeindet werden.